Schon wieder? Ja. Warst Du nicht gerade erst dort? Doch, ja. Fährst Du alleine? Nein, mit meiner Frau. Fotogafiert die auch? Nein. Dann ist das doch total langweilig für sie, oder? Nein, sie ist eine leidenschaftliche Beobachterin und definitiv vernarrt in Elefanten und Flusspferde. Hmm…na dann viel Spaß. Danke, den werden wir haben.
Kursorische Wiedergabe eines Wortwechsels, der der Frage folgte, wohin ich denn im Januar fliegen würde, wenn ich schon nicht in den Winterurlaub führe.
Wir hatten Spaß, insbesondere meine Frau. Sie war regelrecht beseelt. Noch nie hatte sie das Jagdverhalten und das Familienleben der Großkatzen so miterleben dürfen, wie bei unserem diesjährigen Kurztrip in die Masai Mara. Und irgendwie beneide ich sie darum, dass sie völlig ohne Druck das Erlebte aufsaugen und genießen kann. Wenn man fotografiert, möchte man möglichst viele aussagekräftige, spektakuläre oder auch einfach nur schöne Bildern machen und das erzeugt schon einen gewissen Druck. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich diesen Druck nicht auch mag und ich könnte niemals ohne Kamera nach Afrika fahren. Aber die Vorstellung, nur offenen Auges zu beobachten und zu erleben, hat auch etwas sehr reizvolles.
Über die Reisebedingungen in Zeiten der Pandemie werde ich nichts mehr schreiben, denn es hat sich nichts geändert. Wichtig ist, dass man vor der Rückreise einen PCR-Test macht, der beim Erreichen des Flughafens in Nairobi nicht älter als 72 Stunden ist. Die Lufthansa will den zwar nicht und als vollständig geimpfte Person braucht man ihn auch nicht bei der Einreise nach Deutschland, aber ohne negativen PCR-Test lassen sie einen nicht ins Flughafengebäude.
Mein Frau und ich hatten denselben Guide, den ich bei meiner vorherigen Reise in die Mara hatte und wir waren mit ihm sehr gut beraten. Jonathan ist Masai und laut eigener Aussage in der Mara aufgewachsen. Er kennt jeden Stein und insbesondere jedes Loch, in das man bei seinen Offroad-Touren fahren könnte und war als ortskundiger, mit einem guten Auge ausgestatteter Fahrer unverzichtbar. Auch wenn man hin und wieder den Eindruck bekommen konnte, dass er nur dahin fuhr, wo auch er hin wollte und Ziele, die nicht ganz oben auf seiner eigenen Favoritenliste zu finden waren, ausgespart hat, so hat er doch mit einem beeindruckend scharfen Auge ein ums andere Mal für spektakuläre Sichtungen gesorgt.

Schon am Nachmittag des ersten Tages erfüllte sich der Wunsch, einmal Löwen bei der Jagd zu beobachten. Zwei Warzenschweine kamen den flach an den Boden gedrückt verharrenden Löwinnen zu nahe und als der Moment gekommen war, konnte eines entfliehen, das andere hingegen lief, von der oben abgebildeten Löwin verfolgt, der anderen, wartenden Jägerin direkt in die Arme. Was nun folgte, war nicht schön, aber visuell fesselnd und die Geräuschkulisse sehr beeindruckend. Dreizehn Jungtiere gesellten sich binnen kurzer Zeit zu den Alttieren und sorgten für sehr viel Bewegung.

Canon EOS R5, 600mm
Mein zweiter Wunsch, nämlich einmal ein Spitzmaulnashorn zu fotografieren, erfüllte sich leider nicht. Aber die folgenden Tage zeigten mir, dass jeder Besuch der Masai Mara anders ist und dass es nichts sinnloseres gibt, als zu versuchen, Fotogelegenheiten aus vergangenen Touren zu wiederholen. Meine erste Tour 2019 stand ganz im Zeichen der vielen Leopardensichtungen und irgendwie schwang bei der zweiten Tour in 2021 unterschwellig der Wunsch mit, dass sich das wiederholen möge. Natürlich hat es das nicht. Und wenn man nicht spätestens in den ersten Tagen einer solchen Fototour versucht, sich davon zu lösen, etwas Vergangenes wiederholen zu wollen, verbaut man sich viele gute Gelegenheiten. Glücklicherweise ist mir das 2021 gerade noch rechtzeitig gelungen, um nicht enttäuscht nach Hause zu fahren und im Januar diesen Jahres hatte ich mir selber ganz andere Ziele gesteckt. Es sollten andere Bilder werden, die das Gesamtportfolio der drei Touren ergänzen, aber nicht mit älteren Bildern konkurrieren sollten. Und das hat aus meiner Sicht ganz gut geklappt. Außerdem wollte ich, dass meine Frau einen möglichst umfassenden Eindruck davon bekommt, was in der Mara möglich ist. Das hat definitiv geklappt. Wie gesagt, sie war glücklich.

Canon EOS 1Dx Mk III, 840mm, Bohnensack
Eine nicht alltägliche Gelegenheit ergab sich, als wir beobachten konnten, wie das Junge der berühmten Leopardin Kaboso begann, die Randbereiche, insbesondere die Bäume zu erkunden, die die Senke einrahmten, in der die Mutter es bis dato versteckt gehalten hatte.


In der Durchsicht meiner bisherigen Bilder aus der Masai Mara fiel mir vor der Tour auf, dass, obwohl es genug Gelegenheiten gegeben hatte, die Löwen eigentlich zu kurz gekommen waren. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, es gäbe dort mehr Leoparden als Löwen. Dabei bieten Löwen, zumindest wenn sie wach sind, eigentlich fotografisch mehr, denn ihre Interaktion als Rudeltiere trifft genau einen Aspekt der Tierfotografie, den ich für sehr wichtig halte. Das Verhalten. Also kam mir Jonathans Affinität zu diesen Großkatzen sehr zu pass und es boten sich wirklich grandiose Möglichkeiten, das Rudelleben zu dokumentieren.







Wir konnten drei verschiedene Rudel beobachten und ein viertes zumindest zum Teil. An einem Tag haben wir vierzig Löwen gesehen – Jungtiere natürlich mitgerechnet. Die Jagd einer solitären Löwin auf eine Gruppe halbwüchsiger Warzenschweine führte uns vor, warum Leoparden ihre Beute sofort töten. Nicht, weil sie human wären, sondern weil die Beute sonst flüchten würde. Wenn sie das nicht täte, würde auch der Leopard seine Beutetiere bei lebendigem Leibe fressen. Wenn drei ausgewachsene Löwinnen die Beute am Boden halten, dann können zwei weitere schon mal anfangen zu fressen. Und das tun sie auch. Wir haben beobachtet, wie eine Löwin ein ausgewachsenes Warzenschein aus seinem Bau zog – und sich dabei ein paar ordentliche Schmisse im Gesicht zuzog – und, sobald das Tier für die anderen Rudelmitglieder erreichbar war, diese auch schon begannen, es vom Anus her auseinanderzunehmen. Die Bauchhöhle war schon weit offen, als man immer noch die Schreie des Schweins hören konnte.

Canon EOS R5, 600mm
Die größeren Jungtiere fraßen am Kadaver, den kleineren, die noch gesäugt wurden, brachte die Mutter Teile der Beute als Beikost. Interessant war auch, dass die Rudelführer nicht nur nicht mitfraßen, sondern parallel andere Beute jagten. Eine mögliche Erklärung ist wohl der zum Zeitpunkt unseres Aufenthaltes herrschende Überfluss an Beutetieren, der es nicht notwendig machte, dass die Männchen den Löwenanteil der Beute der Weibchen für sich beanspruchen mussten.

Canon EOS R5, 600mm
Dass Löwen aber auch mit ihren Artgenossen nicht zimperlich umgehen, sobald sie einem anderen Rudel angehören und die Reviergrenzen verletzen, konnten wir zwar nicht hautnah miterleben, das Ergebnis eines solches Kampfes fanden wir allerdings eines Morgens in der wie ausgestorben wirkenden Savanne.

Canon EOS R5, 16mm
Ein weiteres Highlight der Tour war ein verwaistes Leopardenmännchen, das von den Einheimischen den Namen Roho bekommen hat. Ein ganzer Tag war dafür eingeplant, ihn zu finden und nach Möglichkeit dabei zu fotografieren, wie er seiner bevorzugten Beute, den Mangusten nachstellt.

Den Morgen über hatten wir erfolglos nach Leoparden Ausschau gehalten, bis uns ein Funkspruch erreichte. Das Objekt unserer Begierde ruhe sich auf einem Erdhügel mitten in der Graslandschaft aus, nach dem es vorher einen erfolglosen Jagdversuch unternommen hätte. Als wir dort ankamen, lag der junge Leopard immer noch da und suchte mit den Augen seine Umgebung ab. Da aber in der Richtung, aus der wir gekommen waren, aus unserer Sicht nichts für ihn Jagdbares war, fuhren wir an ihm vorbei und warteten darauf, dass er seinen Ausguck in unsere Richtung verlassen würde. Und das tat er auch.

Canon EOS 1Dx MK III, 600mm
Wir platzierten uns hinter einem Bau, der sowohl von Zebramangusten, als auch von Löffelhunden bewohnt wurde und durch das Fernglas konnte man am Horizont soeben noch die sich bewegende Schwanzspitze des angespannten Leos erkennen. Kaum hatte ich mich im Auto auf den Boden gelegt und die Kamera im Türrahmen eingerichtet, startete er seinen Angriff. Zuerst geduckt, dann im lockeren Trab und schließlich nahm er richtig Fahrt auf. Der Löffelhund hatte ihn allerdings bemerkt und wartete mit seinem Abgang in die Tiefen des Baus aufreizend lange. Noch eine halbe Stunde lang versuchte der Leopard weit genug in die Gänge der Behausung vorzudringen, um einen der Bewohner zu fassen zu bekommen, aber es gelang ihm nicht. Er ging leer aus.

Canon EOS R5, 600mm

Canon EOS R5, 600mm
Die folgenden Tage waren geprägt von Löwensichtungen, aber nicht ausschließlich. Denn auch der im hohen Gras eher schwer zu entdeckende Serval tat uns mehrfach – ich meine fünfmal – den Gefallen, sich zu zeigen. Allerdings waren drei Individuen sehr scheu und reagierten auf unsere Annäherungsversuche mit sofortiger Flucht oder entfernten sich immer so weit, dass an Fotos nicht mehr zu denken war.
Zwei von ihnen verhielten sich dafür sehr beobachtungsfreundlich und ließen über mehrere Minuten zu, dass wir ihnen auf ihren Streifzügen durch das Gras und der Suche nach Beute folgten.

Canon EOS R5, 600mm

Canon EOS 1DxMK III, 840mm
Die Katzen.
In der Mara sind es immer die Katzen. Jede andere Tierart muss man sich hart erkämpfen. Nicht, dass es sie nicht geben würde, aber die Guides sind so auf die Großkatzen fixiert, dass sie mit unverholenem Unverständnis reagieren, wenn man einmal in Ruhe Vögel, Elefanten, Hippos oder sogar Hyänen beobachten möchte. Auf der anderen Seite gibt es wohl keinen Ort auf dem afrikanischen Kontinent, der spektakulärere und unmittelbarere Erlebnisse mit den Katzen bietet. Also sollte man das auch ausnutzen.

Canon EOS R5, 200-400 bei 220mm
Unvergleichlich ist die Mara, zumindest was die Möglichkeit angeht, Katzen in Action zu fotografieren. Die Landschaft ist einmalig und mit ihren sanften Hügeln, den vielen von Büschen und Bäumen gesäumten Flussläufen und den ausgedehnten Savannengrasflächen nicht mit den Regionen zu vergleichen, die ich bislang besucht habe. Unvergleichlich muss aus meiner Sicht aber auch heißen, dass der Vergleich mit beispielsweise den Wüstenregionen im südlichen Afrika und auch mit den subtropischen Gebieten im Norden Südafrikas und Botswanas nicht zu einer eindeutigen Entscheidung für die eine oder andere Gegend führt. Die zerklüfteten Landschaften aus Sandsteinfelsen, gespickt mit Baobabs und großen Galeriewäldern findet man in der Mara nicht. Den weiten Blick über die Graslandschaft, der die Einschätzung der Wetterlage in allen Himmelsrichtungen ermöglicht, habe ich bislang nur in der Mara erlebt. Wer bislang gewohnt war, auf eigene Faust mit dem Mietwagen loszufahren, wird in der Mara schnell feststellen, dass ein erfahrener Guide und ein unverwüstlicher Land Cruiser unabdingbar sind, wenn man die Highlights der Mara erleben möchte. Und auch wenn man am Abend mit dem Fahrer seine Wunschziele für den nächsten Tag bespricht, ist es schon etwas anderes, wenn die Strecke komplett in den eigenen Händen liegt. Wir freuen uns jedenfalls schon wieder darauf, im Rahmen einer Selbstfahrer-Tour alle Entscheidungen, darüber, wo man entlang fährt, wie lange man verweilt, wann man pausiert und wann man morgens startet, mit niemandem besprechen zu müssen. Wahrscheinlich wird es im Krüger oder dem Kgalagadi nicht so beeindruckende Löwen- und Leopardenerlebnisse geben, wie in der Mara. Aber ein Tier selber zu entdecken, sein Verhalten vorauszusehen, seinen Laufweg richtig zu antizipieren und trotz der Fotografie aus dem Auto eine Position zu finden, die Augenhöhe zumindest möglichst nahe kommt, ist schwer zu toppen.
Zum Abschluss möchte ich anhand einiger Bilder noch ein bisschen technisch werden.

Hier stellen sich zwei Probleme und zwar Belichtung und Aufnahmewinkel. Was die Belichtung angeht, so ist es mit dem Dynamikumfang der 1Dx und der R5 ungestraft möglich, sich nach der Sonne zu richten. Diese sollte nach Möglichkeit nicht ausfressen und eine manuelle Belichtung ermöglichte mir hier vier Blenden unterzubelichten, um die Farbe im Sonnenball zu erhalten und den Löwen im Nachhinein aufzuhellen. Man muss nur aufpassen, dass man nicht zuviel aufhellt, da sonst ein sehr unnatürlicher Bildeindruck entsteht.
Entgegen meinem üblichen Bestreben, aus einer möglichst tiefen Perspektive zu fotografieren, wählte ich hier einen etwas höheren Standpunkt. Einerseits sollte der Horizont nicht durch den Kopf des Löwen verlaufen, andererseits wollte ich die rötliche Mähne vor dunklem Hintergrund haben.

Bei dieser Aufnahme stellte sich die Frage, wohin die Schärfe soll: vordere oder hintere Giraffe? Meine Wahl fiel auf die hintere, weil sie sich der vorderen so vorteilhaft anschmiegt. Wichtig hierbei ist auch, das die Blende soweit geschlossen wird, dass auch die unscharfe Giraffe noch genügend Zeichnung aufweist. Hier war es Blende 8. Und ordentlich überbelichten musste ich mit + 3 EV auch, damit der weiße Himmel positiv zur Bildwirkung beiträgt und nicht störend wirkt.

Meine Lieblingsaufnahme von den Löwen, da ich das weiche morgendliche Gegenlicht sehr mag und die Szenerie an eine Lehrerin erinnert, die in der ersten Stunde ihre Schüler nicht im Griff hat: einige machen, was sie wollen, nur einer hört zu und zwei kommen zu spät. Minimale Überbelichtung von + 0,33 EV, Schnitt ins 16:9 Format bei kompletter Bildbreite. Der Schlüssel bei solchen Aufnahmen ist es, draufzuhalten und wach zu bleiben. Die Positionierung der Tiere ändert sich ständig und zwei weitere Aufnahmen dieser Szene landeten sofort im Papierkorb, weil die Löwin nach unten oder auch hinten blickte.
Der nächste Blogeintrag wird die Parfuri-Region im Norden Südafrikas zum Thema haben und es würde mich freuen, wenn Euch dieser Beitrag so gefallen hat, dass Ihr dann wieder reinschaut. Bis dahin!